

Geografie
Fast wie ein Schrägluftbild: Blick vom Walalpsattel zum
Thuner Westquartier
​Was versteht ihr unter 'Geografie'? Kantonshauptorte aufzählen und die Flüsse Afrikas benennen? Sich im Dauerregen während Exkursionen die Füsse wundlaufen? Zoé Gilliéron muss in 'Destination Dreamworld' für eine Prüfung büffeln: Schrägluftbilder interpretieren! Die Ärmste.
Ich beneide sie. Denn:
Geografie beschreibt das 'System Welt'. Komplexe Zusammenhänge faszinieren: Geologie, Natur, Geschichte, Sozioökonomie. In der Summe beschreiben sie nichts weniger als unseren Lebensraum. Man bleibt immer mitten drin. Karten erzählen mehr als viele Bücher.
Eine geniale Innovation bietet die 'Zeitreise' von swisstopo.ch. Mein Minivideo illustriert, wie sich das Thuner Westquartier entwickelt hat. Der Marker steht beim Wohnblock Nünenenstrasse 33, wo ich aufgewachsen bin. Ja, die Digitalisierung eröffnet uns Möglichkeiten, von denen wir vor vierzig Jahren noch nicht zu träumen wagten.
Mein besonderes Steckenpferd ist Schweizer Geografie. Sie erzählt die Beschaffenheit und Geschichten unserer Heimat. Einverstanden - schön und interessant ist es auch anderswo. Ich bin kein Patriot, aber ich liebe dieses Land und bin stolz darauf, es gut zu kennen.​
Schweizer Orte, Landschaften, Sprachen und Vielfältigkeit sind gleichzeitig Dekor und Nährboden der Handlung meiner Romane, aber ich hüte mich vor der fotorealistischen Detailfülle eines Reiseführers. Schnappschüsse regen an, lange Videos ermüden.
Identität soll man nicht zerreden.

Meine Eltern waren belesene Leute und somit Exoten in unserer Wohnsiedlung. 'Sie haben aber viele Bücher', sagt der legendäre Komiker Emil zum Buchhändler. 'Bis Sie die nur alle abgestaubt haben!'
Richtig. Meine ersten Kontakte zur Weltliteratur bestanden darin, Goethes gesammelte Werke und 'Krieg und Frieden' im Frühling auf den Balkon zu schleppen, Buch um Buch zu öffnen, kräftig zuzuschlagen und dann mit dem Tuch abzuwischen. Natürlich wollte ich schon früh lesen können wie die Grossen - aber gleich einen dicken Band? In den Sechzigern waren Hörbücher noch unbekannt und die Märliplatten von Trudy Gerster mochte ich nicht leiden. Mein Vater sprang in die Bresche. Er war begeisterter Vorleser.
Am intensivsten verschlang ich Gedrucktes während meiner Gymer- und Studienzeit: Die deutschen Klassiker und (damals) moderne Autoren. Am meisten angetan war ich mit knapp zwanzig Jahren von Max Frisch; mit dem Zyniker Dürrenmatt wurde ich nicht recht warm. Natürlich habe ich nie mit Lesen aufgehört. Lange Jahre beschäftigte mich aus beruflichen Gründen vor allem die Fachliteratur, seit jeher und heute noch alles zum Thema Eisenbahn. Mit dem Kursbuch - requiescat in pace - verband mich eine schon fast fetischistische Liebe. Nebenbei entdeckte ich nach und nach Krimis und leichtere Texte - typische Ferienlektüre.
Nun greife ich wieder fast täglich zu einem Buch. Seit ich Romane schreibe, blicke ich mit kritischem Auge auf Plot, Stil und sprachliche Details. Meine neuen Entdeckungen und Vorlieben werde ich ab und zu im Blog vorstellen.
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Lesen

Gesellschaft und
Politik
Zur Politik hatte und habe ich stets ein ambivalentes Verhältnis: Sie fasziniert, aber ich kann mir nicht vorstellen, eine aktive Rolle zu spielen. Ich bin kein Netzwerker, lasse mich nicht vor einen Karren spannen, der zwangsläufig auch mit unsympathischem Ballast beladen ist und habe wenig Geduld mit Begriffsstutzigen, Opportunisten und Querulanten. Ich weiss: Letzteres tönt etwas überheblich, aber es ist nun mal so.
Natürlich bereue ich es: Als Passivmitglied kann ich nicht mitzugestalten. Mein Beobachter freut sich, der Homo Faber kommt zu kurz.
Welcher Partei ich beitreten könnte, wäre kein 'Casse-tête'. Ich bin ein Liberaler, Anti-Etatist, aber extremistische Libertäre wie Elon Musk finde ich zutiefst unsympathisch. Aber eben: Was soll ich dort tun? Den FdP-Kadern als graue Eminenz bei der Erarbeitung der Strategie helfen? Leitlinien für eine ausgewogene liberale Verkehrspolitik ausarbeiten, Mobility Princing inklusive? Dreamworld. Mit Potential zum Albtraum.
Also bleibt mir: Lesen. Qualitätsjournalismus, online. Die NZZ entspricht meinen Ansprüchen an Tiefe, Themenbreite und Diversität der Diskurse. Mit dem Zeitgeist hält sie es wie ich: Offen sein, ihn verstehen, aber nicht jeder Sau hinterherrennen. die durchs Dorf - pardon, die Stadt - getrieben wird. Das ist keine Schleichwerbung; die hat das Blatt nicht nötig. Versteht es als Urteil eines meistens zufriedenen Lesers.
Ich habe nicht vor, einen Politblog zu schreiben, aber vor Politischem und Gesellschaftskritischem werde ich nicht zurückscheuen. Unser System baut auf der freien Meinungsäusserung auf. Nicht wahr, liebe Zeitgeistigen?
Wie die meisten Kinder fand ich Wanderungen grossartig: Mit Zug, Postauto und Seilbahn fahren, dann ein ausgedehntes Picknick an einem friedlich murmelnden Bach geniessen, auf Steinblöcke klettern... Zu dumm, dass Zufusswatscheln immer zum Programm gehörte. Später war ich dann die treibende Kraft - im Wortsinne -, um möglichst viele Kilo- und Höhenmeter per pedes zurückzulegen.
Seit zwanzig Jahren ist Wandern wieder des Dählers Lust. Gerne in den Alpen, aber auch anderswo, je nach Saison, Matschrisiken und Wetterstabilität. Meistens allein. Gipfelstürmen liegt mir nicht; ich ziehe Passrouten vor. Im Sommer 2024 genoss ich die Premiere über die Bunderchrinde. 2006 habe ich in Etappen Graubünden traversiert - vom Oberalppass bis nach Müstair.
Graubünden? Einmalig schön. Einmalig vielfältig. Einmalig tolle Eisenbahn. Einmalig weit weg, leider, wenn man in der Romandie wohnt.
Wandern heisst für mich Entdecken und Wiederentdecken. Dabei bin ich in Phase mit meiner Begeisterung für die Geografie. Ich geniesse das Raumgefühl, das einen packt, wenn man sich wie ein kleiner Punkt auf der Karte vorkommt und mental bis Milano, Genf oder Basel sehen kann.
Nichts mit Wandern zu tun hat mein täglicher Marsch 'ums Haus herum' - eineinhalb Stunden im Schnitt. Da sehe ich Bekanntes, höre buchstäblich das Gras wachsen und viele, viele Kühe muhen. Freiburgerland! Vor allem kann ich dabei trefflich nachdenken. Und an meinen Texten feilen.
