Nullnummer
- daehlert
- vor 13 Minuten
- 2 Min. Lesezeit
Anfang Jahr wurde Professor Weidmann vom Bundesrat zu einer Strafarbeit verdonnert. Nun hat er geliefert, und übers Wochenende war ich dran mit Nachsitzen: 73 Seiten 'Verkehr 2045'. Enttäuscht? Nein. Aber bestimmt nicht positiv überrascht: Auftrag erledigt, Projekte zum Ausbau der Verkehrsträger für geschätzte 113 Milliarden priorisiert und in den vorgesehenen Finanzrahmen eingepasst. Punkt. Auf die drei Themen, die ich Weidmann im früheren Blog ans Herz legte, ist er nicht eingegangen. Alles wie erwartet.
Das öffentlich verfügbare Dokument ist ein Vorzeigebeispiel für pseudowissenschaftliche Scheintransparenz. Seitenlange Vorgaben, Zielsetzungen, Kriterien und Lösungsansätze. Nicht neu, nicht falsch: Zuviel. Kein Wort zu Zielkonflikten. Aalglatt formulierte Sätze als Schlussfolgerung, dann nahtloser Übergang zur Prioritätenliste: Die Tiefbahnhöfe von Genf und Luzern sind unbedingt vor 2045 zu realisieren, die Neubaustrecke Morges-Perroy nur, sofern der Bahninfrastrukturfonds auf 24 Milliarden aufgestockt wird. Pech für die Basler: Ihr 'Herzstück' darf höchstens auf die Zeit nach 2045 hoffen. Okay, die Bewertung der vier obengenannten Megaprojekte scheint mir plausibel, aber bei vielen anderen wäre ich gespannt auf Argumente. Vor allem beim Grimseltunnel: Im Text spricht ihm Weidmann den Nutzen ab, aber in der Liste kriegt er Prio 1. Hä? Ich hätte es euch gern erklärt, aber ich weiss nicht, was wir nun bis 2045 für 14 oder 24 Milliarden an Eisenbahn bekommen. Grosser Abwesender ist der Zielfahrplan.
Selbst wenn das Volksnein zum Ausbauprogramm der Nationalstrassen als Wunsch für mehr öV und weniger Strassenverkehr interpretiert wird, hatten die Gutachter keinen Spielraum: Die Fonds für Bahn, Agglo (Tram, Bus, Langsamverkehr) und Strasse sind zweckgebunden, und weder Wechselwirkungen noch konkrete Massnahmen zur Veränderung des Modalsplits sind im Resultat erkennbar. Kein Gefälligkeitsgutachten, aber eines, das gefällig wirken soll und am Ende niemandem gefällt.
In zwei Punkten erlaubt sich Weidmann eine eigene Ansicht: Publikumsanlagen in den Bahnhöfen auszubauen, findet er nice to have. Schade. Stell dir vor, es fahren mehr Züge, und keiner kommt hin?! Andererseits kritisiert er die 'fehlende Strategie für die Ost-Westachse' und schiebt alle Projekte an diesem Kernstück in die Kategorie 'nach 2045' . Die Kritik greift zu kurz: Es gibt fehlt das strategische Ausbauziel. Ganz generell.
Bahn 2000 ist ein geniales Konzept, wurde aber nicht komplett umgesetzt und ist auch nicht wachstumsfähig. Die tiefhängenden Früchte, sprich Projekte mit unstrittig gutem Kosten-Nutzen-Verhältnis, sind geerntet. Herr Ducrot weiss besser, was Sache ist: Der nächste Quantensprung ist der nationale Fünfzehnminutentakt. Da kommt man mit Weidmanns Prioritätenliste allerdings nicht hin.
Wir brauchen einen politischen Grundsatzentscheid für die Bahn 2100, samt Finanzierung. Wer weiss, wie eine Bahn aussieht, die einen strategischen Zielfahrplan produzieren kann? Sinnvolle Projektlisten für Ausbauschritte erstellen die, welche später die Verantwortung tragen, das Konzept umzusetzen: Die Bahnen. Die Bähnler. Herr Weidmann ist keiner, auch wenn es in der NZZ behauptet wurde. Die Parlamentarier noch weniger: Sie müssen sich aus Sachfragen heraushalten, wenn ein grosser Wurf gelingen soll.
In meinem Blog vom Februar habe ich Mobility Pricing gefordert. Herr Weidmann erwähnt es nur am Rande und als zusätzliche Lenkungsabgabe. Schade: Als Grundlage für eine neue Art der Verkehrsfinanzierung könnte es die intermodale Nutzung der Verkehrsträger optimieren. Ohne Verbote. Wer wagt endlich, diesen Elefanten im Raum sichtbar zu machen?
Nullnummer: Die Geier im Bundeshaus putzen sich schon das Gefieder. Herr Rösti ist nicht zu beneiden, aber eigentlich hätte er es wissen müssen: Leadership kann man nicht delegieren.
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