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Fata Morgana

  • daehlert
  • 1. Juli
  • 2 Min. Lesezeit

Es ist heiss. Nicht wie in der Sahara, aber es reicht für optische Täuschungen. Rechtzeitig zum Beginn des Hochsommers kommen nicht nur Hitzewarnungen und Gewitter in die Schlagzeilen, sondern auch ein alter Bekannter: Der Gotthardstau. Niemand mag ihn, aber das ist ihm egal.

Die Urner sind nicht zu beneiden: Der Ausweichverkehr über die Kantonsstrasse ist besonders ärgerlich und nützt den verzweifelten und Navi-gläubigen Autofahrern wenig. Stau als Dauersituation ist schädlich für alle. Nationalrat Simon Stadler aus Uri, schreibt die NZZ, wagt einen neuen Vorschlag: Transitgebühr durch die Schweiz, denn dieser Verkehr ist für über 30% der Fahrten über den Gotthard verantwortlich.

Das Verfahren scheint plausibel: Erfassung der Autonummer an der Grenze bei Ein- und Ausfahrt, automatische Fakturierung bei einem Aufenthalt von weniger als 24 Stunden. Kosten entstehen somit weder für inländische Fahrten - wichtiges Argument für die Tessiner - noch für Quell- und Zielverkehr, der für Tourismus und Wirtschaft willkommen ist. Ausserdem, meint Stadler, könnte dank gestaffelten Tarifen Verkehr aus hochbelasteten in weniger gefragte Perioden verlagert werden.

Okay. Tönt machbar. Prinzip Hoffnung.

Stadler aus dem Thurgau würde wohl ein anderes Rezept verschreiben: Viele, viele neue Fernreisezüge, 'Giruno' genannt, für Transitverbindungen Deutschland-Italien. Gerne. Bloss: Der Gotthard-Basistunnel der SBB ist auch schon voll. Auf der A2 stehen die Autos, im Eurocity die Fahrgä... Nein, nein: Sie stehen nicht. Wer nicht sitzt, wird in Arth-Goldau oder Bellinzona aus Sicherheitsgründen evakuiert und auf den nächsten vollbesetzten Zug vertröstet.

Der Glaube, Verkehr liesse sich mit etwas Preisakrobatik abwürgen, umlenken oder verlagern, ist eine Fata Morgana: Auch Mobilität gehorcht dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Hält letzteres nicht mit, steigt der Preis, oder es entstehen Mangelwirtschaft und Schlangen. Wie damals - im sozialistischen Paradies jenseits des Eisernen Vorhangs: Höhere Preise bei gleichem Angebot hätten dort auch nicht satt gemacht. Bei Brot und Butter leuchtet es sofort ein. Beim Autoverkehr offenbar nicht.

Niemand durchquert die Schweiz aus purer Freude in weniger als 24 Stunden. Ferien, beispielsweise, sind ein wertvolles Gut. Das Auto wählt, wer mit Kindern und Hund unterwegs ist. Oder weil Stadlers Giruno eben nicht aus der Hessischen Pampa direkt zum Campingplatz in Kalabrien fährt. Und sucht den kürzesten Weg: Darum der Stau. Auch ein schlechtes Angebot kann immer noch das beste sein: Auch der Brenner ist überlastet. Ein paar Dutzend Euro zusätzlich? Die verkraftet jedes Ferienbudget.

Darum wird Simon Stadlers Gebühr zu Murren, Knurren und Mehreinnahmen führen, aber kaum zu weniger Stau. Es sei denn, wir finanzieren damit eine neue alpenquerende Autobahn, aber auch die will niemand. Selbst die Hoffnung, Herr und Frau Niederländer würden Anfang März statt Juli zum Camping fahren, kriegt hitzefrei: Da ist nämlich an der Adria tote Hose. Aus gutem Grund.

Sollen sie also fliegen?

Eben. Nachfrage lässt sich nicht abwürgen. Nicht in einem liberalen, demokratischen System. In absehbarer Zukunft soll es mehr und internationale Zugverbindungen geben. Fast wöchentlich ist davon die Rede. Aber die werden, vermute ich, bestenfalls die laufende Nachfragesteigerung abschöpfen. Mobility Pricing auch für die Strasse? Ich bin dafür. Aber da braucht es deutlich komplexere Lösungen und Investitionen in die kombinierte Personenmobilität.

Mir wird heiss: Wo bleibt mein Lösungsvorschlag? Müsste ich den Blog temperaturbedingt pausieren? Das wäre kein Problem: So gross ist die Nachfrage dann auch wieder nicht...


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