Sommerferien
- daehlert
- 6. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Ferien, habe ich diese Woche gelesen, könne man gleich dreimal geniessen: Vorher, denn Vorfreude ist manchmal die schönste. Dann während, wenn man sich gerade mal nicht über den zu vollen Strand, das zähe Steak oder ein zu kleines Hotelzimmer ärgert. Und nachher, beim Erinnern, Erzählen und Schönreden. Nicht dauernd fotografieren, rät uns die Journalistin: Das sei Ablenkung vom Erlebnis.

Diese Ermahnung war vor sechzig Jahren überflüssig: Drei Röllchen Negative für den billigen Knipskasten in zwei Wochen... zu zwölf Aufnahmen, wohlverstanden. Meine Eltern plagte bei jedem Druck auf den Auslöser die Vorfreude... die Fotoabzüge aus Troxlers Dunkelkammer gingen ins Geld.
1965 verreisten wir zum ersten Mal 'richtig'. Vorher beschränkte sich meine Erfahrung auf seltene Wochenendbesuche in Thalwil bei meinem Götti, ein paar Tage bei Onkel Walter und Tante Hedy in Schaffhausen und einen Kurzaufenthalt im Diemtigtal. Nun, in der ersten Klasse, hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, die Bedeutung von 'Ferien' zu erfassen. Keine Hausaufgaben! Kein Stress mit dem Schönschreiben! Fensterläden schliessen und wegfahren!
Das grosse Abenteuer führte uns in ein fernes, unterentwickeltes Land: Das Wallis. Eine Expedition nach... Saas Fee. Darf man dort mit Leitungswasser Zähne putzen? Was gibt es in den Läden zu kaufen? Hat es überhaupt welche? Meine Mutter was skeptisch und schickte schon mal ein umfangreiches Fresspaket voraus.
Der Kulturclash fand statt: Auf dem Briger Bahnhofplatz, vor dem eindrucksvollen FBW Alpenpostwagen mit der Haifischschnauze. Vor der aufgeklappten Tür hatte sich eine lange Warteschlange gebildet, und auf dem Trittbrett stand der Chauffeur im sandbraunen Kittel, ein Blatt auf dem Klemmbrett. "Meier, Aarau... Studer, Biel..." Eine Gruppe nach der anderen zeigte die Billette und stieg ein. "Dähler? Habe ich nicht auf der Liste! 'Vorausbestellung der Plätze unerlässlich': Können Sie nicht lesen? Steht im Kursbuch!" Hoppla, hier galten andere Sitten als zu Hause in der dritten Welt! Wir gelangten trotzdem ins Gletscherdorf. Vermutlich hatten Binggelis aus Baden den Zug verpasst: PTT-Beamte waren keine Unmenschen.
Wandern war des Dählers Lust, aber das bezog sich in meinem Fall eher auf Seilbahn, Picknick und Bäche stauen. Oder in den 'Felsen' herumklettern, knapp fünf Minuten hinter der Ferienwohnung. Die Tour auf die Hannigalp, wo das Bild aufgenommen wurde, war die strengste. Ausserdem hatten wir kein Wetterglück, gute Voraussetzung für häufiges Window-Shopping im Dorf: Das 'Haus der Geschenke' führte ein beachtliches Sortiment an kleinen Autos. Vierzehn Tage lang bettelte ich um einen grauen Alfa Romeo, bei dem sich Motorhaube, Kofferraum und alle vier Türen öffnen liessen. Nicht einmal Schaufelberger hatte etwas Vergleichbares im Angebot!
Und heute? Null Stress mit dem Postauto; niemand muss Plätze reservieren. Stehplätze, meine ich. Sommerferien? Das war einmal: Pensionierte haben immer frei. Also nie. Wenn ich trotzdem ein paar Tage auswärts verbringe, gehört der PC ins Gepäck. Es könnte ja sein, dass mir beim Wandern spontan ein Thema für den Blog einfällt! Auch mein nächster Roman, 'Level zwei', muss mindestens noch dreimal überarbeitet werden. 'Checken Sie ruhig auch mal ihre E-Mails. Umso grösser ist dann der Feriengenuss, wenn sie wieder damit aufhören', raten Experten. Na also.
Wer immer frei hat, kann sich das Wegreisen sparen: Schreiben und wieder ausspannen. Die Freude, habe ich 1965 schon gelernt, ist sowieso dann am grössten, wenn man wieder im Zug nach Hause fährt. Mit dem Alfa im Handgepäck.
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