Komfortzone
- daehlert
- 12. Sep.
- 2 Min. Lesezeit
Mein fünfzigster Blogbeitrag: Passender Anlass, mich mit einem Glas Wein auf die Terrasse zu setzen. In die Sofaecke, mit Blick ins Grüne. Das Erreichte geniessen, statt mir über aktuelle Aufreger, gesellschaftliche Herausforderungen oder die Ansichten von Thomas Dähler die Finger wund zu schreiben.
Das Stichwort hat mir der Roman 'Ja, nein, vielleicht' von Doris Knecht geliefert: Die Ich-Figur, eine Frau Ende fünfzig, also noch jung, verwechselt die Komfortzone mit Resignation. Eine Selbstlüge, die sie dauernd in Frage stellt und vor sich selbst rechtfertigt.
Komfortzone: Wir kennen das Wort vor allem als Vorwurf: Im Managementkurs. Am Teambildungsevent. Im Kommentar eines NZZ-Journalisten zu Europa, den Schweizern, den Rentnern, der Generation Z oder allen andern, die glauben, sie könnten sich auf den Lorbeeren ausruhen. Raus aus der Komfortzone, heisst der Imperativ.
Komfortzone? Ich? Neunundvierzig mal habe ich sie seit Anfang Jahr verlassen. Über ein passendes Thema nachgedacht, am liebsten beim morgendlichen Fussmarsch. Überlegt, was ich darüber denke, warum es mich beschäftigt. Was ich schreiben darf, preisgeben möchte. Zwei oder drei Minuten Lesezeit, nicht mehr, da war ich kategorisch. Mehr als ein Dutzend Mal ist nichts daraus geworden, Entwurf geblieben, der nun im Archiv darauf wartet, irgendwann wachgeküsst zu werden. Neunundvierzig Mal habe ich drauflos getippt. Nachgelesen. Sätze verschoben. Passagen gelöscht und neu geschrieben, gelungene Formulierungen gehätschelt. Gekürzt, gekürzt, gekürzt. Und schliesslich - Blutdruck auf hundertachtzig - auf 'Veröffentlichen' geklickt.
Nur Komfortzone liegt mir so wenig wie dauernder Nervenkitzel: Ob Roman oder Blog - beim Schreiben suche ich die Herausforderung, dann macht es Spass. Anderswo bin ich risikobewusster, vielleicht auch ein bisschen risikoavers. Fragt mal meinen Ansprechpartner bei der Raiffeisenbank! Auf die richtige Mischung kommt es an.
Dauerhaft in der Komfortzone angelangt bin ich bei der Modelleisenbahn: Fast dreissig Jahre habe ich an der Anlage gebaut, und nun ist sie fertig. Ich bin überzeugt: Das beste Konzept auf dem verfügbaren Platz. Wenn ich die Werke anderer sehe, bin ich nicht neidisch: 'Kaeserberg' und Miniaturwunderland brauche ich nicht zu Hause, die könnte ich allein gar nicht betreiben. Hobbyanlagen, die man auf YouTube oder in der Fachpresse sieht, finde ich selten gelungen, und wenn schon, nur anders, aber nicht besser als mein 'Albugadin'. Was ich geschaffen habe ist nicht perfekt, aber es zu toppen lohnt sich nicht. Komfort heisst nicht 'immer mehr, immer besser', sondern auch mal: Es reicht. Pareto lässt grüssen.
Die umfassende All-inclusive Komfortzone ist Illusion. Alles ist vergänglich und potenziell bedroht: Das schöne Wetter, unser Besitz, unsere Beziehungen, unsere Gesundheit, unser Leben. Es hat keinen Sinn, sich deswegen prophylaktisch zu viele Sorgen zu machen: Die Komfortstörung kommt meist aus der unerwarteten Ecke. Dann ist es gut, wenn man schon vorher mindestens ab und zu geprobt hat, wie es sich anfühlt, komfortarm zu sein. Und dass es nichts bringt, vor lauter Angst vor dem Falschen das Richtige zu verpassen. Wie, vermutlich, die Ich-Frau in 'Ja, nein, vielleicht': Sie behauptet, Liebe sei zu riskant...
Fünfzig Beiträge. Kein Grund, mich in die Komfortzone zurückzuziehen, denn nach dem Posten ist vor dem neuen Hirnen, was, wozu und wie...
Danke, dass ihr an diesem Abenteuer teilnehmt. Weiterhin, hoffentlich.
Somit auf die nächsten 50? 500? Ich bin gespannt!