Schön!
- daehlert
- vor 2 Tagen
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Wir leben, so sagen uns Politiker, Journalistinnen und die anderen kommunikationswütigen Zeitgenossen, in einer Welt voller Probleme und bevorstehender Katastrophen. Nicht schön! Und worüber schreibe ich in meinem Blog? Ärger, Pleiten, Pech und Pannen. Meistens.
Die Gesellschaft von 2025 ist keine Dreamworld und erst recht keine Destination. Die Menschheit ist unterwegs, manchmal vorwärtsstürmend, manchmal zögernd oder im Kreise drehend, ab und zu auch rückwärts. Homo sapiens ist ungeduldig und will mehr. Gut so, darum sind wir da, wo wir heute stehen: Nichts ist perfekt, aber fast alles ist besser. Nie waren wir so gesund, hatten wir besseren Zugang zu Ausbildung und Wissen, wurden wir als Individuen ernster genommen. Warum hat sich gerade in unserer westlich-demokratischen Gesellschaft das Bild einer düsteren 'Welt', eines ramponierten 'Planeten' eingenistet?
Auch in der Literatur: Im Roman 'Halbinsel' zeichnet Kristine Bilkau feinfühlig stimmige Figuren, und verpasst dann doch irgendwie die Pointe. Ist Tochter Linn - man schliesst sie spontan ins Herz - eine Heldin, weil sie jugendlich ungestüm und sehr ungeschickt gegen ihren Arbeitgeber rebelliert? Muss die Generation Z wirklich die Welt retten und dabei, wen wunderts, scheitern?
Sie ist schön wie nie: Zum Beispiel unsere Ortschaften. Kennt ihr Morges? Hinfahren: Ein Provinzstädtchen ohne Leichenstarre. Man steigt aus dem Zug und findet Platz - Räume zum Gehen und Verweilen. Genf? Hier wurde letzte Woche ein Bach ans Tageslicht gebracht. Die Drize plätschert nun renaturiert durch die aufstrebende Agglo. Wunderschön! Wenn ich da ans Thuner Westquartier denke, wo ich aufgewachsen bin: Uniforme Wohnblöcke in Reih und Glied, ein paar Bäume, Sandkasten, Quartierstrassen als Laternengarage...
Toll. Wir haben Steckerautos. Photovoltaik überall. Smartphone, tadellose Netzverbindung. Ergonomische Bürostühle und höhenverstellbare Pulte. Okay, die Chefs sind nur besser geschult, aber nicht kompetenter geworden. Dummheit ist lernbar, schrieb ein systemkritischer Lehrer in den Achtzigern. Ich würde eher sagen: Nicht auszurotten.
Ich bin ein 'armer Rentner', aber wie schön: Mir geht es gut. Auch ohne die doppelt so hohe Pension, die mir vor zwanzig Jahren prognostiziert wurde. Das Leben kann man nicht Vollkasko versichern. Wird man nie können. Wir sind fragil, wie die Kulturlandschaft Wattenmeer, die Frau Bilkau melodramatisch-liebevoll schildert. Das ist kein Grund, die Apokalypse auszurufen. Und ja, Gefahrkarten sind ein Fortschritt.
Die Welt, die wir den Generationen Y, Z und A überlassen, ist wie sie ist. 'Mehr Optimismus und Vertrauen!' würde ich von der guten Fee wünschen. 'Augen auf für das Schöne!' und 'Schätzt und nutzt die Freiheit!' Dann werden uns weder die sozialen Netzwerke in polarisierend-ideologische Bubbles einschliessen noch die KI mit Fake zumüllen. Denn der Liberalismus - und ich bin nicht der einzige, der ihn gut findet - gedeiht mit einem Lächeln im Gesicht.
Schön! Ich möchte künftig positiver bloggen, aber ich verspreche nichts.
Nur das noch: Stadler baut so exzellente Züge, dass er keinen Heimatschutz braucht. Die Welt geht nicht so rasch unter, wie die Berufskassandren, nicht ganz selbstlos, meinen.

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