Schaufenster
- daehlert
- vor 2 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Aus naheliegendem Grund mache schon zum zweiten Mal eine Ausnahme und blogge über kleine Züge: Der 2. Dezember war der internationale Tag der Modelleisenbahn. 'Internationaler Tag'? Der Begriff hat einen aktivistischen Touch. Also hätten wir am Dienstag überall Grüppchen in der Innenstadt, beim Einkaufszentrum und natürlich am Bahnhof antreffen müssen, die einen Modellzug fahren lassen oder die Gotthardrampe aufbauen und Flugblätter verteilen. Hätten. Vielleicht habe ich was verpasst.
Ja, die Modelleisenbahn braucht Publicity, denn sie ist aus den Schaufenstern und Spielzeugabteilungen verschwunden. Als ich klein war, drehten im Dezember sogar in Thun vielerorts kleine Bähnchen ihre Runden und weckten Weihnachtswünsche. Bei den Kindern. Und den Vätern, die zu ihren Zeiten von einer Märklin höchstens träumen durften. Das Video zeigt eindrücklich, was es nicht mehr gibt - und beweist nebenbei, dass Automatisierung und die Stellung der Frau in der Gesellschaft schon vor sechzig Jahren aktuell waren.
Andererseits ist die Modelleisenbahn zur Attraktion geworden wie nie zuvor: In Granges-Paccot gibt es den Kaeserberg, im Tessin die Galleria Baumgartner und am Rheinfall die Smilestones. Und, natürlich, in Hamburg das grosse Vorbild MiWuLa: Riesig. Ein Tag reicht nicht mehr, alles anzusehen. Frederik Braun hatte die Idee vor dem Schaufenster eines Modellbahngeschäfts in der Zürcher Innenstadt.
Tempi passati. Diese Fachhändler gibt es heute fast nur noch in peripheren Lagen: Meggen. Vogelsang. Oder, bestenfalls, im Zentrum von Bümpliz. Alle setzen auf Online-Shops: Die Modelleisenbahn hat sich von einem populären technischen Spielzeug in eine semiprofessionelle Nische verwandelt.

Mein erster Märklin-Katalog - Ausgabe 1963 - war noch sehr übersichtlich. Die Publikation der Neuheiten 2026, die wir im Januar herunterladen werden, ist x-mal so umfangreich. Dafür wusste ich damals sofort, was ich wollte: Die blaue Lok, E41 der DB. Ich bekam sie nicht, denn ich war noch zu klein: Fortsetzung folgt in einem nächsten Blog. Heute lesen wir auf den Schachteln einschlägiger Hersteller 'ab 16 Jahren'. Steilpass an alle Eltern, die dem teuren Geschenk wenig Sympathie entgegenbringen.
Als Schüler war für mich die berühmte, vor kurzem generalüberholte 'Gotthardanlage' im Verkehrshaus Luzern der Graal. Simpel, bei allem Respekt für die damaligen Modellbauer, im Vergleich zum 'Kaeserberg'! Vor fünfzig Jahren publizierten Fachjournale Bastelvorschläge für Wagen, die es nicht zu kaufen gab. Umbauten, die man ohne Fachausbildung in Feinmechanik oder 3D-Druck an einem verregneten Sonntag umsetzen konnte; nicht perfekt, aber beglückend. Heute beschreibt 'LOKI' auf 10 Seiten, wie man einen Geräteschuppen oder Senklochdeckel in 100 Stunden exakt 1:87 nachbaut: Der Zeitgeist macht auch vor den Hobbies nicht Halt. Wer soll da den Mut aufbringen, neu einzusteigen? Wer, ausser einigen Rentnern, hat Motivation, Zeit, Platz und Geld, etwas zu gestalten, das diesen exorbitanten Ansprüchen auch nur annähernd gerecht wird? Darum darf gesammelt werden; je mehr, desto besser. Auch Exoten der Schiene erscheinen heute in jeder nur erdenklichen Variante. Okay, auch meine 24 Ge 4/4II sind eine zu viel. Aber immerhin haben sie im Keller Auslauf.
Ja, die Modellbahn 'hat die Tage' und braucht neue Impulse. Als das, was sie mal war: Ein Hobby für alle, natürlich mit moderner Technik, aber erschwinglich und im Alltag präsent. Denn auch die Knirpse der Generation A würden sich gerne im Dezember die Nasen am Schaufenster platt drücken und in krakeliger Schrift 'Ein Fekdron silverbierser' auf die Wunschliste setzen.
Der Fachhändler weiss bestimmt, was gemeint ist. Falls man ihn findet.

Der Schaufenster Blog spricht mir aus dem Herzen. Auch ich habe in Langnau bei Buchmanns viele Stunden die Nase platt gedrückt. Heute dreht im Besten Fall ein LGB-Weihnachtszug seine Runden. Im Besten Fall: denn meistens sind zwei Märklin-Kreise aufgebaut auf der zwei Loks mit je einem oder zwei Güterwagen um die Wette rasen.