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Personalausweis

  • daehlert
  • 5. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit

So nennen unsere deutschen Nachbarn das Stückchen Plastik, das Homo Sapiens in einen legitimen Staatsbürger verwandelt. Wir Schweizer sagen 'ID': Als 'Personal' abgestempelt zu werden, ist nicht nett. Da lasse ich mir lieber eine Identität bescheinigen.

'Wir' Schweizer: Der Nationalfeiertag ist zwar vorbei, aber die Frage bleibt aktuell: Was feiern wir eigentlich? Uns! Wer sind 'wir'? Eine Nation? Und was, bitte, ist das? Reine Definitionsfrage! Damit auch die zusammengewürfelte Schweiz ins Konzept passt, hat sie den Begriff 'Willensnation' erfunden. Als gäbe es naturgegebene Nationen!

Nehmen wir Frankreich - Nationalstaat par excellence, mit dem hippen Paris als Nabel. Tatsächlich? Fragt mal eine Bretonin, einen Basken oder die Katalanen nach ihrer nationalen Identität! In weiten Teilen des Südwestens spricht man neben Französisch auch 'Occitane', die Savoyards wurden erst 1860 Franzosen, und von Korsika wollen wir gar nicht erst reden: La Grande Nation ist ebenso Mythos wie die Gründung der Schweiz auf dem Rütli. Was ist Dichtung, wo liegt die Wahrheit? Nationalismus, Propaganda und martialische Rhetorik sind Drillinge: Drüben brüstet man sich mit der Macht zur Expansion, hüben mit der Fähigkeit, sich einzuigeln. Krieg als Folge übertriebener Ansprüche an das 'Wir'.

Schweifen wir nicht in die Ferne und betrachten den Jura als Lehrstück. Einerseits ein Erfolgsnachweis der Demokratie: Der Staat Schweiz hat akzeptiert, dass sich eine Mehrheit zwischen Graitery-Kette und Burgunderpforte nicht mit dem Berner Mutz identifiziert. Andererseits fragt man sich als Nichtjurassier, wie das neue Wappen auf dem Autoschild die Lebensqualität der Menschen in Alle oder Bassecourt verbessert. Jahrelang wüste Szenen, Vandalismus, Anschläge, idiotischer Aktivismus wie der Diebstahl des läppischen Unspunnensteins: War es die Sache wert?

'Commune libre et indépendante d'Ouchy', verkündet das Gemeinwesen am Lac Léman und beweist, dass Nationalismus 'fraktal' funktioniert: Je grösser die Lupe, desto zahlreicher die demonstrativ unterschiedlich tickenden 'Wir'. Man stelle sich vor, Ortsfremde könnten denken, das Stückchen St. Tropez am untern Ende der 'Ficelle' - Metro m2 - gehöre zur Stadt Lausanne! Es darf gelächelt werden, aber: Kein Staat, Kanton und keine Gemeinde ist kompaktes 'Wir'-Gebiet. Da hilft nur Toleranz. Oder ethnische Säuberung?

Auch für Individualisten wie mich ist es beruhigend, Wurzeln zu spüren. Sich an bekannten Orten heimisch zu fühlen. Die Menschen ringsum zu verstehen: Sprachlich und kulturell. Das darf man schätzen, ohne gleich als überheblich oder ewiggestrig abgestempelt zu werden. Identität erkennen wir nicht im Spiegel, sondern im Kontrast - oder der Resonanz - mit anderen Menschen. Wir sind dazu verdammt, uns zu vergleichen: Gemeinsames entdecken, Unterschiede erkennen: Unser WIR-Gefühl ist genauso subjektiv wie das wahrgenommene Ich. Schweizer und Schweizerin ist, wer sich so fühlt.

Tatsächlich? Könnte man es messen, wäre der Zank um Migration und Einbürgerung erledigt. Das Dilemma mit der Einwanderung betrifft die Menschen im Kern: Die, welche schon da sind, bangen um das Bild, das sie von unserem Land im Herzen tragen. Die, welche kommen, möchten ihre 'fremde' Identität bewahren. Sie verdienen Respekt, aber keinen Minderheitenschutz. Und, das liegt mir besonders am Herzen: Ihre Kinder dürfen - sollen! - Schweizer werden! Mit rotem Pass, und, vor allem, mental. Wir dürfen nicht zulassen, dass ihre Eltern sie daran hindern und zu Entwurzelten erziehen.

Identität ohne Toleranz ist kleinkariert. Und gefährdet sich selbst.

Identität ohne Rahmen und Werte ist Wischiwaschi. Die nützt niemandem.

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