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'Man spricht Deutsh'

  • daehlert
  • 23. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit

Im Satirefilm von 1988 regen sich brave bayrische Touristen auf, wie 'undeutsch' doch das Sehnsuchtsland Italien ist. Die hatten noch Probleme!

Denn, nein: Man spricht nicht Deutsch. Oder immer weniger gut - und zwar hier, bei uns. Das zeigt eine Studie aus der Nordwestschweiz. In bloss fünf Jahren hat der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler dramatisch abgenommen - Lesen, Schreiben, Grammatik, Orthografie. So können sie auch in allen anderen Fächern nicht reüssieren: Sprachkompetenz ist nicht schöngeistige Errungenschaft der Bildungsbürger, sondern Grundlage des Verstehens und des Denkens. Wie soll ich etwas wissen, wenn mir die Worte fehlen, es adäquat auszudrücken?

Ich 'kann Deutsch' und bin dankbar dafür: Sprachkompetenz ist mir eine Herzensangelegenheit und natürlich auch mein Kapital als Schreibender. Ob die kruden Methoden und die 'Kleine deutsche Sprachlehre' meines Lehrers an der Oberstufe entscheidend dazu beigetragen haben - siehe auch meinen Beitrag 'Ohrfeige' - möchte ich bezweifeln. Ganz bestimmt mitschuldig sind aber meine Eltern - sie haben mir fleissig Geschichten vorgelesen und mich zur Lektüre animiert. Wohlverstanden: Wir waren keine Bildungsbürger und wohnten in einem Quartier der einfachen Leute.

Sind also die Eltern an der neuen Misere schuld? Ein bisschen: Zu viel Helikopter, zu grosse Ambitionen - oder gar keine. Die Lehrpläne? Die Lehrer? Man kann der Schule vorwerfen, sie verzettle sich: Neue Inhalte, wie Informatik. Neue Formate, wie Projektunterricht. Weniger Faktenwissen, mehr Methodenkompetenz: Was 1970 gut war, ist 2025 nicht mehr billig. Sind die Schülerinnen und Schüler einfach leistungsunwilliger als früher? Leere Behauptung. Wenn zu viele in der Klasse masslos überfordert sind, langweilen sich die andern und hängen auch ab. Soziale Netzwerke, Smartphone, Videogames - die Aufmerksamkeitskiller? Billige Sündenböcke. Wir Boomer sind trotz allen Unkenrufen vor sechzig Jahren weder vor der 'Glotze' verdummt noch von 'Schundmusik' und 'Sexheften' verderbt worden.

Der Bericht sagt es: Die Zuwanderung von Familien ohne Bezug zu einer Landessprache und unserem Schulsystem trägt wesentlich zur unerfreulichen Entwicklung bei. Nicht alle meiner Schulkameraden und Kolleginnen waren Sprachgenies, aber zu Hause 'sprach man Deutsch'. Schlimmstenfalls 'Welsch' oder Italienisch. Dass sich das radikal verändert hat, ist kein Steilpass für die SVP und ihre Zehnmillionenschweiz, sondern 'die Wahrheit, die weh tut.'

Ich habe es kürzlich geschrieben: Meine Toleranz für die Zuwanderung hört dort auf, wo neue Generationen Entwurzelter herangezogen werden. Jeder junge Mensch verdient, mindestens eine Sprache gut zu beherrschen. Wenn er oder sie in der Schweiz eingeschult ist oder eine Berufsausbildung absolviert, hat eine Landessprache oberste Priorität: In der neuen Heimat 'sprachlos' Gebliebene haben auch keine Chance, bei uns ihre Identität zu finden: Das tut weh, zehn oder zwölf Millionen hin oder her.

Zugewanderte Familien müssen in die Pflicht genommen werden, alles zu unternehmen, dass ihre Kinder es schaffen: Nicht mit netten Ermahnungen, sondern als Bedingung für eine Aufenthaltsbewilligung. Und wir 'Einheimischen' können auch mehr beitragen, als über das Manko zu lamentieren. Warum nicht uns Rentner mobilisieren, ein oder zwei Nachbarskinder sprachlich unter die Fittiche zu nehmen?

Wahrscheinlich gibt es auch zu viele Schweizer Eltern, die denken, Sprache sei nicht mehr so wichtig. Übersetzungshilfen und KI-Bot übernehmen allerdings höchstens das Schreiben und nicht das Denken: Nur wer selbst nichts zu sagen hat, ist damit bedient.

Mit 'Bro, cash mier Ufsaz shreibe fon Verie?' zerreisst Chat-GPT auch keine Stricke.

Vielleicht antwortet er mit einer Zusammenfassung von 'Man spricht Deutsh'.


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