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Traurige Jugend

  • daehlert
  • 16. Jan.
  • 3 Min. Lesezeit

Da gab es die Verdingkinder. Prügelstrafe an Schulen. Eltern, die Körperstrafen für normal halten. Sexuellen Missbrauch en masse durch diejenigen, welche Enthaltsamkeit predigen... Der Blick in den Rückspielgel zeigt: Es war noch nie blosses Zuckerschlecken, Kind zu sein. Das wäre ja auch schädlich für die Gesundheit.

Und nun das: Den jungen - ganz jungen! - Menschen der Zwanzigerjahre geht es psychisch so schlecht wie noch nie! Beschämend. Verlust der Biodiversität? Klimawandel? Dichtestress? Inflation? Auch nicht schön, aber geschenkt, wenn die Jugend nicht mehr daran glaubt, dass es sich lohnt zu leben. Statt sich um die zu kümmern, welchen die Zukunft gehört, wird lieber über die finanzielle Sicherheit im Alter geklönt... Pervers.

Generation Z, wie Zukunft? Unter den 15- bis 25-Jährigen seien zehn Prozent in psychiatrischer Behandlung, steht im NZZ-Kommentar. Und, noch krasser: Jede dritte Zürcher Sekundarschülerin zeigt Symptome von Depression oder Angststörungen. Da verzichte ich glatt auf meine dreizehnte AHV-Rente, wenn man mir dafür eine Chance gibt, etwas dagegen zu unternehmen.

Die Schuldigen sind immer rasch gefunden: 'Schule, Familie, Tech-Giganten', meint der erwähnte Kommentar unisono mit ähnlichen Berichten. Stimmt: Eltern müssen fürs Kinderkriegen keine Fähigkeitsprüfung ablegen. Lehrer sind auch nur Menschen, und werden, wie man hört, eher daran gehindert als dabei unterstützt, ihren Job zu machen. Aber war das vor zwanzig oder vierzig Jahren wirklich ganz anders?

Bleiben die Tech-Giganten. Der Ausdruck entlarvt Voreingenommenheit. Soziale Netzwerke oder gar das Smartphone eignen sich ausgezeichnet als Sündenbock: Sie sind neu und erfolgreich. Dass es da viel Schrott gibt, wird niemand abstreiten, aber schliesslich sind es die User, wir alle, welche die Inhalte posten. 'Echokammern'? Die gab es schon immer. Mein erster Chef markierte in der 'Computerworld' immer nur die Artikel, die seine eigenen Ansichten unterstützten. Vereine, Parteien, religiöse Gemeinschaften, Radiosender, Jassrunden: Lauter Bubbles. Altmodisch analog, aber sehr, sehr effektiv.

Was anders ist: Deprimiertheit und Angst vor Apokalypsen werden professioneller vermarktet denn je. Rechte, Linke und Grüne erheben begeistert das halb leere Glas auf Dichtestress, Asylmissbrauch, Kaufkraftverlust, Renten(nicht)finanzierung, Diskriminierung aller Art und Umweltkatastrophen. Mediatisierung und Abstimmungsresultate zeigen, dass es sich lohnt. Es fällt auch uns Erwachsenen manchmal schwer, dieser Dauermassage mit Zweckpessimismus standzuhalten. Dass Kinder und Enkel dabei ihr gesundes, optimistisches Lebensgefühl verlieren, ist eigentlich nicht erstaunlich.

Erstmals in der Geschichte der westlichen Kultur, behaupten Studien, glaube die Mehrheit der Eltern nicht mehr daran, dass ihre Kinder es einmal besser haben werden als sie. Sowas nenne ich selbstbewahrheitende Prophezeihung: Je öfter Papa und Mama sowas lesen, desto grösser wird ihre Sorge, und die geben sie bewusst oder unbewusst an den Nachwuchs weiter. Als kontraproduktiven Leistungsdruck. Als Defaitismus. Als Aufforderung, den Fortschritt zu sabotieren, welcher vielleicht nicht das bessere, aber immerhin ein gutes Leben ermöglicht. Statt nach mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zur Stärkung des Selbstvertrauens rufen dann alle nach dem Staat. Nach neuen Verboten, Geboten und Extrawürsten. Die erwähnten politischen Kräfte sind dankbar. Mit Leichenbittermiene.

Meine Betroffenheit ist zu einem guten Teil schuld an 'Destination Dreamworld'. Eine Art Gegenentwurf zum dystopischen Geschrei der Zwanzigerjahre - weder problemfrei noch traumhaft. Die Realität bleibt, wie sie ist - der Unterschied passiert im Kopf: Das letzte Kapitel heisst nicht zufällig 'Vertrauenssachen'... Vielleicht bin ich naiv. Aber die Zoés und Valeries unserer Epoche verdienen und können mehr, als vom Staat eine bessere Welt einzufordern oder Suizidvideos auf TikTok zu konsumieren. Das wäre zu trostlos.

Ich komme darauf zurück. Versprochen.

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