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Thujahecke

  • daehlert
  • 15. Nov.
  • 2 Min. Lesezeit

Die NZZ, das weiss ich zu schätzen, lässt auch Stimmen zu Wort kommen, die nicht dem politischen Wunschprofil des liberalen Zürich entsprechen. Benedikt Loderer, Architekturjournalist, vertritt in seinem Interview die Ansicht, der Boden müsste enteignet und nur noch im Baurecht vergeben werden. Ob der Staat es dann wirklich besser machen würde als die Privaten, fragt die NZZ.

Die Erfahrung zeigt es. All die Altstädte, die wir heute so bewundern, sind auf diese Weise entstanden. (...) Die mittelalterlichen Städte wurden in feudalistischen Verhältnissen gebaut, in denen der Grundherr vorgegeben hat, was gemacht wird... antwortet Herr Loderer.

Stichhaltige Argumente tönen anders. Wir 'bewundern' weder in Thun noch in Greyerz die Bausubstanz des Mittelalters, sondern das, was mit Kanalisierung, Stromnetz, Fussgängerzonen und vielen, vielen Investitionen daraus geworden ist. Zweitens prosperierten Städte wegen ihrem 'liberalen' Marktrecht, nicht dank etatistischer Politik. Und, vor allem: Eng gebaut wurde aus strategischen Gründen. Je kleiner die Fläche, desto kürzer die Mauer. Über die Ziele heutiger Urbanistinnen und Städteplaner hätten die wohlgeborenen Schultheissen lauthals gelas

Schlechte Argumente gegen die 'Hüslischweiz' mit den ewiggestrigen 'Binnenschweizern' und ihren Thujahecken, über die sich Benedikt Loderer königlich aufregt. In der Schweizer Architekturgeschichte gibt es eine direkte Entwicklung vom Chalet zum Einfamilienhaus. Das Einfamilienhaus ist die Krankheit des Landes. (...) Weil der echte Schweizer ein Älpler ist. (...) In der Stadt leben die Verrückten, die Kranken, die Gangster und alle anderen verrohten Menschen. Wer nicht im Grünen aufwächst, endet im Drogenelend.

Und natürlich sind auch Auto und Wohlstand schuld an allem Übel.

Einverstanden, die Zeit neuer Einfamilienhausareale irgendwo im Nirgendwo ist abgelaufen. Alpen- und Dorfnostalgie? Ich vermute, dass wir in der Schweiz hinsichtlich Raumplanung und Urbanismus mindestens so gut dastehen wie unsere europäischen Nachbarn. Was soll dieser polarisierende Rundumschlag bewirken?

Das Bedürfnis der Menschen zu leben, wie und wo es ihnen gefällt, lässt sich nicht wegargumentieren. Daran würde auch ein Zwangsbaurecht nichts ändern, wenn man nicht Wohneigentum generell verbieten möchte. Mieter und Eigentümer sind zwei Typen des Homo oeconomicus: Der Eigentümer riskiert Eigenkapital, liefert sich dem Zins- und Immobilienmarkt aus und muss pendeln, wenn er in der Nähe keinen passenden Job findet. Der Mieter setzt hingegen auf Flexibilität bei Finanzanlagen und Mobilität, kann aber nicht darauf hoffen, seine Wohnkosten entgegen dem Konjunkturtrend längerfristig zu senken. Der liberale, demokratische Staat will weder ein Volk von Mietern noch von Eigentümern per Dekret!

Verdichten - mit Augenmass - ist nötig. Das Problem heisst 'Stockwerkeigentum'. Denn: Miteigentümer begeben sich in eine Zwangsgemeinschaft. Da schaukeln sich Meinungsverschiedenheiten rasch zu unlösbaren Konflikten auf. Mieter können schlimmstenfalls packen. Der Eigentümer riskiert sein Geld - zu hohe Kosten am Gesamteigentum, unvorteilhafter Verkauf. Oder ein Burn-Out... Haben Loderer und seine Kollegen Urbanisten bessere Lösungen in petto? Davon lese ich... nichts.

Auch im 'Villenquartier' sucht man sich seine Nachbarn nicht aus. Aber man kann schlimmstenfalls eine Hecke pflanzen. Kirschlorbeer: Der ist schon nach drei Jahren blickdicht. Nicht schön.

Vielleicht sollte ich Herrn Loderer zum Kaffee einladen. Bestimmt hätte er interessante Ideen zur Ortsentwicklung von Autigny. Und könnte ein paar Vorurteile über 'Binnenschweizer' korrigieren. Die schlimmsten Hecken wachsen nämlich nicht in der vielgeprügelten Agglo, sondern rund um unsere ideologischen Bubbles.

Doch, eine Thujahecke gibt's auch. Die des Nachbarn.

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