Wer sucht...
- daehlert
- 4. Jan.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Jan.
...der findet! Stimmt nicht. Neulich suchte ich auf einer Webseite nach 'suchen' und fand nichts. Ach so: Die Funktion heisst hier 'finden'. Nur Loser suchen noch: Trivial-Positivismus ist trendig. Trick mit Selbstüberlistung - es reicht, sich erfolgreich zu fühlen.
Keine Frage, Selbstvertrauen ist hilfreich. Glück, meint Tatjana Schnell in einem Interview mit der NZZ, solle man nicht suchen; andere Gefühle seien genau so wichtig. Es war also keine gute Idee, 'happy' New Year zu wünschen!?
Einverstanden. Wer sich zu sehr auf das Suchen konzentriert, könnte tatsächlich Wesentliches verpassen. Das Sprichwort 'jeder ist seines Glückes Schmied' ist zwar eine krasse Vereinfachung, aber es weist auch darauf hin, dass 'Glück' objektiv nicht fassbar ist. Die Dreamworld der einen ist der Albtraum anderer.
Frau Schnell ist Sinnforscherin und rät uns, nach dem Sinn zu suchen: Das könne zwar schmerzhaft sein, aber es lohne sich. Da bin ich stutzig geworden. Sinn? Haben Sie es nicht kleiner? Diese Sinnsuche riecht penetrant nach Moral und Religion. Und ja, sagt Frau Schnell, Religiosität sei dabei vorteilhaft, vor allem in einer religiös geprägten Gesellschaft. Übersetzt: Was die meisten anderen glauben, kann auch mir nicht schaden. Moment mal: Reden wir jetzt über Sinn oder Konformismus?
Wie Glück ist Sinn nichts Absolutes. Des einen Bullshit ist des anderen Graal. 'Warum'... Vielleicht das mühsamste aller W-Wörter: Eltern Vierjähriger werden mir sofort zustimmen. Was? Wie? Wo? Wann? Wieviel? Auch darüber streiten wir in Ehren, aber es geht um Greifbares. Die kleine Schwester des Warum heisst 'Wozu': Zweckorientierung ist nicht falsch, aber auch sie hat Grenzen.
Was tut mir gut? Wie fühle ich mich heute? Hat dieser Tag das Zeug dazu, ein erfolgreicher zu werden? Wie kann ich dazu beitragen, Positives vom Gestern ins Heute mitzunehmen, damit ich mit meinem Morgen zufrieden sein darf? Ich bin, wer ich bin - und kann nur werden, was in meiner Reichweite liegt. Das müssen wir, finde ich, akzeptieren. Als Chance, nicht resignativ. Anerkennen, dass wir weder das auserwählte Instrument einer transzendentalen oder ideologischen Weltordnung noch Hans und Johanna im Glück sein müssen, ist ein befreiender Gedanke.
Frau Schnell, es macht Sinn, über den Zweck der Sinnsuche nachzudenken. So haben Sie es wahrscheinlich auch gemeint. Suchen ist manchmal eben doch wertvoller als Finden.
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