Absurd
- daehlert
- 30. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
'Das Stimmvolk hat eine steuerliche Absurdität beendet', kommentiert die NZZ das Abstimmungswochenende vom 28. September. Ich sehe es auch so: Der Eigenmietwert ist ein seltsames Konstrukt.
Ihr denkt nun: Klar, der Blogger gehört zur Kategorie der Profiteure! Mag sein. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass die beschlossene künftige Besteuerung von Wohneigentum besser einleuchtet. Denken wir einfach mal das bisherige Modell zu Ende: Du hast ein eigenes Auto? Wie unfair! Du brauchst kein Mobility-Abo und musst nie ein Fahrzeug mieten, wenn Bus und Bahn unpraktisch sind: Deine Einsparung sollte bei der Steuererklärung berücksichtigt werden. Der Nachbar pflanzt Gemüse im eigenen Garten und isst es selbst? Geizhals! Er könnte es auf dem Markt verkaufen und die Einnahmen versteuern. Pfui! Grosi und Ätti hüten gratis die Enkelinnen, statt als Tageseltern gutes Geld zu verdienen? Steuervermeider!
Eben. Absurd. Eigentum selbst zu nutzen ist das Natürlichste der Welt. Warum sollte man dafür zur Kasse gebeten werden?
Ich spinne den Faden noch weiter: Jedes Steuersystem ist, irgendwie, absurd. Fleiss und Einsatz gelten als Tugend: Warum zum Kuckuck besteuert man das Arbeitseinkommen? Ressourcen schonen ist ein Gebot der Stunde: Warum nicht die direkten Steuern zu Gunsten einer umfassenden Verbrauchssteuer abschaffen? Das wäre unsozial? Könnte der Wirtschaft schaden?
Eben.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Steuern bezahlen am Ende die, welche Geld haben. Wer in ein paar Jahren von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitiert, zahlt immer noch substanziell an den Staat und verdient nicht, als 'reich' beschimpft zu werden. Das Gemeinwesen funktioniert nicht ohne massvolle Umverteilung: Einige zahlen mehr, andere wenig. Und alle, da sind wir uns einig, zu viel.
Absurd?
Ich habe ihn nicht bestellt, und trotzdem schickt mir der Staat eine Rechnung. Das ist okay, denn ich bin nicht Elon Musk, der ihn am liebsten abschaffen möchte: Wenn er seine Aufgaben erfüllen soll, braucht er Geld. Aber: Welche Funktionen? Welche Leistungen? Wieviel und für wen? Da sind wir uns uneins: Etatisten denken, je 'perfekter' und somit mächtiger der Staat, desto besser sei die Gesellschaft. Das ist der Grund für den Röstigraben bei der Abstimmung: Romands meinen es häufiger als Deutschschweizer und wollen auf keinen Fall riskieren, einen einzigen Steuerfranken zu verlieren. Das ist natürlich ein Irrtum: Ein fokussierter Staat, der sich nicht verzettelt, ist gut für alle. Er soll die wesentlichen Rahmenbedingungen für ein freiheitliches Leben sicherstellen, nicht mit der ideologisch gefärbten Giesskanne Geld verteilen. Dann müssen wir auch nicht so heftig über das 'gerechte Steuersystem' diskutieren.
Umverteilen ja, aber dahin, wo es wirkt. Zukunftsorientiert: Zu den Jungen, nicht zu der parteieigenen Klientel. Kinderkrippen für alle. Elternfreundliche Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz. Schulen, die fordern und fördern. Niederschwellig zugängliche Beratung und, wo nötig, finanzielle Unterstützung für junge Erwachsene. Attraktive Bildungswege von der Berufslehre zur Fachhochschule als Norm. Gymnasien und Hochschulen erster Qualität für begabte Kopfarbeiterinnen und Knowledge Worker. Frühe, von den Unternehmen professionell begleitete Integration ins praktische Berufsleben mit finanzieller Unabhängigkeit statt immer längere Ausbildungszeit: Für all dies leiste ich gerne meinen Beitrag.
Denn eine prosperierende Jugend dient auch dem übergeordneten Ziel: Dem Erhalt eines Staates, einer Gesellschaft, die ich zwar nicht bestellt habe, aber wertschätzen kann. Oder möchtet ihr Autokraten wie Putin, Erdogan oder den Taliban auch noch das Budget finanzieren? Herrn Trumps Ego sponsern?
Eben. Absurd.

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