Ysebähndle
- daehlert
- 23. Jan.
- 2 Min. Lesezeit
Ich halte, was ich verspreche. Meistens. Ich blogge nicht über Modelleisenbahn, denn das interessiert nicht mal Modelleisenbahner: Die ziehen Videos mit fahrenden Zügen vor und wissen eh schon alles. Und besser. Meistens.
In den vergangenen Tagen habe ich so intensiv ysebähdlet wie noch selten. Nicht im Hobbykeller, sondern am Schreibtisch: Rechts das Probeexemplar von 'Destination Dreamworld', links das entsprechende Word-Dokument auf dem PC.
Ysebähndle? Als ich meine Karriere in der Informatik begann, war Computerzeit teuer. Die lastwagengrossen Rechner von IBM kosteten ein Vermögen und leisteten wenig. Darum sollten wir erst mental und mit imaginären Daten durch das Programm fahren wie auf der Modellbahn und schauen, ob und wo etwas entgleist. Das sparte Zeit und Kosten im Testprozedere.
'Schreiben sie einfach drauflos!' rät eine der zahlreichen Plattformen für Selfpublisher, die ich nicht gewählt habe. Meinetwegen. Aber dann bitte: Ysebähndle! Denn Lesezeit ist wertvoll, und wir Autoren wollen schliesslich nicht unser Publikum verar... Moment - darf ich dieses Wort verwenden? Eben.
Ysebähndle, bevor ich auf den Button 'Projekt abschliessen' klicke. Mich mental in eine Leserin, einen Leser versetzen und überlegen, was Satz für Satz in ihm, in ihr, an Gedanken und Emotionen auslöst. Auslösen könnte.
Selbstkritik ist die Mutter der Qualität. Meistens. Stand der Satz auf Seite 301 nicht schon ganz ähnlich weiter vorn? Verstärkt diese Redundanz die Kernaussage? Lenkt der Nebensatz oben auf Seite 115 den Blick auf einen Nebenschauplatz? Ist die Szene in Kapitel 51 zu explizit? Plötzlich ist man mitten drin in der Selbstzensur. Vorsicht! Ich habe nie versprochen, niemanden zu verletzen oder zu ärgern. Das könnte ich nicht halten. Was sagte der Brienzer Bub über den Holzklotz, aus dem er seinen ersten Bären schnitzen sollte? 'S isch nüüt drin gsy!' Und zeigte auf einen Berg Holzschnitzel.
Ich formuliere frech. Auch wenn es um Heikles geht. Das ist eine bewusste Entscheidung, denn es macht mir Freude. Es wäre billig, so zu schreiben, dass sich mein Publikum letztlich alles selbst vorstellen darf, wie es ihm gefällt. 'S'isch nüüt drin gsy...' Lieber soll sich jemand daran stören, was Zoé mit Männern oder Drimmel mit Frauen anstellt. Oder wie Valerie das politisch korrekte Gedankengut ihrer Eltern zerzaust. Nur weiterlesen sollen sie trotzdem. Denn Moment mal, Seite 257: 'An diesem kalten Wintermorgen, nach dem rauschenden Fest, standen Valeries Neuronen im Kopf einmal mehr unter Flutlicht und doppelter Betriebsspannung.' Ha, daran gibt es nichts zu schnitzen!
Sätze, die mich selbst jedes Mal anrühren, wenn ich sie wieder lese... dafür lohnt es sich, immer wieder das Messer anzusetzen.
Mein Probeexemplar war Version 2.4 und sieht nun sehr zerlesen aus. Eben habe ich Version 2.5 neu hochgeladen und ein neues Muster bestellt. Noch ein paar Retouchen mit dem feinen Messerchen. Version 2.6 wird publiziert. Versprochen!
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