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Sex

  • daehlert
  • 31. März
  • 3 Min. Lesezeit

Ich hätte mir mehr Mühe geben und einen subtileren Titel setzen können. Aber diesmal wäre es falsch: Ich will nicht um den heissen Brei herumreden und zitiere: In der Altersstufe der Adoleszenten zwischen 10 und 19 Jahren sind Vergewaltigungen sowie sexuelle Übergriffe und Nötigungen laut der jüngst veröffentlichten Kriminalstatistik des Bundes seit 2020 um 36 Prozent, seit 2014 gar um ganze 70 Prozent gestiegen. Fast alle Geschädigten sind junge Frauen - sexuelle Gewalt verüben Männer, das ist nicht neu. Und die Dunkelziffer nimmt zu und nicht etwa ab, das zeigen die Zahlen.

Zweimal durchatmen, ruhig bleiben: Solche Frühstückslektüre am Sonntag tut weh. Denn ihr wisst schon: Das Wohl junger Menschen liegt mir am Herzen.

Der antipatriarchale Reflex extremer Feministinnen kennt die Endlösung: Abschaffung des Manns als Fehlleistung der Evolution. Das ist, mit Verlaub, faschistoid. Pauschale Anschuldigungen polarisieren und helfen schon gar nicht den geschädigten Frauen. Ich sage bewusst nicht 'Opfer', denn kriminelles Fehlverhalten ist keine Naturkatastrophe: Der Täter richtet fahrlässig oder kaltschnäuzig einen Schaden an, den er nie wiedergutmachen kann. Wir reden nicht über Triebverbrecher und unfassbar Perverse wie Pélicot; die sind zwar medial interessant. Nein, es geht um den Sohn der Nachbarn, der seiner Klassenkameradin ungebeten an die Wäsche geht. Denn, so sagt der Artikel, die meisten Aggressoren sind ebenfalls Teenager oder junge Erwachsene. Und ich bin überzeugt, dass sie ihre Tat nachher oft bereuen und vor allem kaum je geniessen: 'Loose - loose'.

Die Hälfte der Fehlbaren sind Ausländer. Darunter sind bestimmt Menschen aus Gesellschaften mit 'vormodernem'* Frauenbild - wie viele wird nicht kommuniziert und ist auch nicht relevant: Religiös verbrämter Konservativismus und die Meinung, Sex diene prinzipiell der Fortpflanzung und Frauen gehörten an den Herd, gibt es auch bei Schweizern. Und was soll der vage Hinweis, Teenager lebten seltener als vor zehn Jahren in einer Paarbeziehung? Moment mal: Brauchen Frauen einen männlichen Beschützer? Das wäre ja haarsträubend 'vormodern'! Bleiben noch, wie Experten vermuten, die Gewaltpornos. Na klar. Smartphones, Videogames, Soziale Netzwerke, Pornografie sind gern zitierte Sündenböcke, wenn bei jungen Menschen etwas schief läuft. Wesentlich ist nicht, was sie konsumieren, sondern wie sie es einordnen. Und das können sie viel besser, als die meisten Erwachsenen ihnen unterstellen - auch das sagen Expertinnen. Kurzum: Es herrscht Ratlosigkeit.

Zurück zum Sex: Wie sagte Terenz vor über zweitausend (!) Jahren? Ich bin ein Mensch. Nichts Menschliches, denk ich, ist mir fremd. Also - weg mit der falschen Scham und mit den Jungen reden. Positiv, wohlwollend. Vor allem: Ohne moralinsauren Mahnfinger, Angstmacherei und Enthaltsamkeitsfantasien. Sexualität gehört zum Menschsein und macht Freude, lautet die Botschaft. Beidseitig erwünschter Sex, selbstredend: Mit Hingabe und Sternchen der Leidenschaft in den Augen. Ein reflektiertes und bejahendes Verhältnis zur eigenen Sexualität wirkt besser gegen die toxische als sämtliche Gesetze. Die kommen erst zum Zug, wenn das Kind im Brunnen liegt.

Reden. Und nicht vergessen: Reden lassen und zuhören. Bevor es zu spät ist. Sexuelle Orientierung und die heiklen Fragen zur Geschlechtsidentität gehören dazu, aber die erdrückende Mehrheit hat andere Probleme: Die von Cis und Hetero. Niemand behauptet, man komme als Architekt, Tierärztin oder mit einer Olympiamedaille zur Welt. Naturtalent oder Dummy: Wir müssen erst lernen und trainieren. Warum soll es beim Sex anders sein? Pornos? Mainstream. Die Mehrheit der Männer und auch viele Frauen schauen sie regelmässig. Also, aufhören mit der heuchlerischen Empörung und hinschauen: 'Findet mir ein Video, das zeigt, wie es beiden Spass macht!' Wäre das nicht ein Projekt für die Oberstufenschule?

Reden und zuhören - auch über Augenmass, Zivilcourage und Selbstvertrauen. Sexismus ist cringe, nicht cool. Und Gewalt nicht 'männlich', sondern - pardon! - dämlich. Die jungen Lernenden brauchen ein gesundes Mass an Frustrationstoleranz. Humor hilft, und gegenseitiger Respekt ist die Voraussetzung. Das müssen Männchen und Weibchen** wissen, wenn sie sich alt genug fühlen zum üben. Allein. Zu zweit. Wir dürfen sie dazu ermutigen - nicht drängen, wohlverstanden. Die Eltern als Vorbilder? Anders als beim ersten Versuch auf dem Fahrrad können sie bei der sexuellen Entwicklung ihrer Teenager nicht hinterherrennen und den Gepäckträger festhalten. Vertrauen, Empathie: Die ganze Gesellschaft ist gefordert!

War die 'sexuelle Revolution' vor bald sechzig Jahren nur eine zeitgeistige Fata Morgana?Das wäre schlimm. Trump, Putin, Xi, Orban... Ich mag gar nicht aufzählen, wie viele autoritäre Machthaber einer Mehrheit der Menschheit gerade 'vormoderne' Ansichten zur Sexualität aufzwingen möchten. In bester Gesellschaft mit religiös Orthodoxen.

Liebe 'Bürgerliche': Wie vorbehaltlos liberal denkt ihr über Sex?

A propos: Liebe? Gern. Aber das ist ein anderes Thema.

*Das Wort stammt nicht von mir. Ich habe es kürzlich in einem anderen Zusammenhang aufgeschnappt und finde es sehr treffend.

** Alle weiteren möglichen Kombos und Spielarten sind erwünscht und 'mitgemeint'


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