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Fettnapf

  • daehlert
  • 18. März
  • 2 Min. Lesezeit

Bundesrat Jans hat ihn sorgfältig ausgesucht und ist, so scheint es, mit Bedacht drein getreten: In den Fettnapf. Und die politisierte Schweiz hat sich gehorsam empört - über den bundesrätlichen Post, der Islam gehöre zur Schweiz, ober über die, welche das empört. Courant normal.

Der sachliche Hintergrund der Empörung lässt sich in zwei Punkten zusammenfassen.

Erstens: Die Schweiz ist ein laizistischer Staat und somit konfessionslos. Im Prinzip. In der Praxis harzt es noch ein wenig - 'im Namen Gottes, des Allmächtigen'. Zweitens: Auch muslimische Menschen können gute Schweizer sein, mit oder ohne Pass. Ein paar wenige Ultranationalisten werden das zwar bestreiten, aber die empören sich auch ohne bundesrätlichen Post. Warum hat sich Jans diese Mühe gemacht?

Allein die Formulierung ist seltsam: Müssen wir nun eine Liste führen, was 'zur Schweiz gehört'? Asiaten in Luzern, US-amerikanische Kampfflieger in Payerne, ein ägyptischer Tycoon in Wilhelm Tells engster Heimat? Blochers Ahnen sind eingewandert, der Präsident der Stadtzürcher FDP hat seine Wurzeln im Kosovo und Secondos sorgen dafür, dass die Schweiz beim Weltfussball nicht bloss vom Zürichberg aus mitkickt: Exoten wie ich - väterlicherseits aus dem Thuner Westamt, mütterlicherseits aus dem Emmental - sollten ein AOP-Label beantragen, damit unsere knapp zweihundertjährige nationale Identität nicht ganz aus den Fugen gerät.

Alle wissen es, auch die Empörten: Die überwältigende Mehrheit der Muslime integriert sich weder besser noch schlechter als südamerikanische Katholiken, Hindu aus Sri Lanka oder polnische Jüdinnen. Ebenso ist Fakt: Unter Asylsuchenden oder klandestin Zugewanderten ist die Kriminalitätsrate höher als bei AOP-Tösstalerinnen, Bleniesi und Rotavilliens. Das Unbehagen gegenüber dem Islam lässt sich nicht wegposten: Es irrt sich bloss in der Zielscheibe, und diesem Irrtum ist Herr Jans auch aufgesessen. Denn:

Alle Religionen vertreten achtbare Werte.

Alle Religionen sind überzeugt, den wahren Glauben zu besitzen. Ohne Beweis.

Alle Religionen haben ihre orthodoxen Flügel und Führungsfiguren, die missionieren, nach aussen abgrenzen, in extremis den Heiligen Krieg erklären und Gottesstaaten fordern. Sie unterstützen Autokraten, bewahren patriarchalische Strukturen und agitieren konservativ gegen demokratisch gewählten, gesellschaftsliberalen Fortschritt. Als dogmatische Mikromanager gängeln sie ihre Gläubigen im Alltag und nutzen fleissig den moralinsauren Warn- und Drohfinger. Wenn sie nicht gleich Lynchjustiz treiben: Die Deutungshohen der rechtschaffenen Leute sind des Menschen übelster Wolf.

Unsere Staatskirchen sind domestiziert. Sie traben brav an der Leine, dafür dürfen sie via Kanton bei ihren Passivmitgliedern Fressi-Fressi, pardon: Steuern, einfordern. Wir verdrängen, dass sich auch in ihrem Genom der Wolf versteckt.

Ich finde es legitim zu denken, fanatisch-orthodoxe Religiosität 'gehöre' nicht zur Schweiz - der offenen, modernen und wandelbaren, die ich als meine Heimat betrachte. Viele, viele Schweizer Jüdinnen, Hindu, Baptistinnen, Muslime und Kirchensteuern Zahlende teilen diese Ansicht: Beat Jans erweist ihnen einen Bärendienst.

Moment, ich habe etwas vergessen: Orthodoxie und Fanatismus brauchen keine Götter. Die Nazi waren religionsfern, die Stalinisten atheistisch. Und im einundzwanzigsten Jahrhundert radikalisieren sich Gruppierungen, die achtbare Ziele verfolgen und dem gesellschaftlichen Fortschritt, den sie mit der Brechstange herbeizwingen möchten, ebenfalls einen Bärendienst erweisen.

Auch sie passen selbstredend nicht zu 'meiner' Schweiz.

Bin ich jetzt gerade in einen Fettnapf getreten???

Ach so: 'Rotavilliens' heissen die Einwohner des freiburgischen Rue, der kleinsten Stadt Europas. Behaupten sie. Unglaublich, woran überall geglaubt wird!

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