Guter Rath
- daehlert
- 25. Jan.
- 2 Min. Lesezeit
...ist theuer. Keine Sorge, das ist nur ein Kalauer: Ich bleibe bei zeitgemässer Orthographie. Es geht um Rath, Volker Kutschers Krimiserie. Mein Sohn hat mir vor einiger Zeit Band 1, den 'Nassen Fisch' geschenkt. Das war ein ausgezeichneter Rat(h)!

Teuer? Ansichtssache: Meine acht Taschenbücher und zwei gebundenen Ausgaben haben etwa 250 Franken gekostet. Das sind viereinhalb Rappen für jede der 5657 Seiten. Die Rath-Reihe beweist, dass sich Menge und Qualität nicht ausschliessen. Oder ist dies nur die Ausnahme, welche die Regel bestätigt? Andere Krimiserien lassen es, leider, vermuten.
Sparfüchse und 'Eherwenigleser' kennen ihn vielleicht aus der TV-Serie oder dem Film Babylon Berlin: Gereon Rath ist ein Bad Cop mit guten Absichten. Ärgert den Chef mit unkollegialer Heimlichtuerei. Verstrickt sich in dunkle Machenschaften. Lässt sich bestechen und tötet nicht immer in Notwehr. Kommissar Zufall ist sein treuer Begleiter, manchmal helfend, häufig störend. Nach jedem aufgedeckten Verbrechen bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn kaum ist ein korrupter Fiesling aus der Welt geschafft, lässt sich Gereon schon vom nächsten erpressen. Kein Wunder, dass er säuft, kokst und ihm auch Freunde nicht recht über den Weg trauen. Matula oder der 'Alte' waren korrekte Langweiler. Derrick sowieso.
Alle vorkommenden Personen, und davon gibt es eine Menge, sind mit präziser Feder gezeichnet. Manchmal überraschen sie mit Gemeinsinn und Intelligenz, dann wieder handeln sie opportunistisch und leisten sich Blamagen oder krumme Touren. Charlotte, genannt Charly und Gereons angetraute On-Off-Beziehung, wäre eine Frau zum Verlieben, aber auch sie ist keine reine Lichtgestalt. Ausgerechnet dank Görings Protektion wird die kompromisslose Antifaschistin aus dem KZ befreit. Der hatte, man lernt nie aus, ein Faible für... Modelleisenbahnen!
Damit komme ich zum Kernpunkt: Rath ist gut, aber erst der akribisch nachgezeichnete historische Rahmen macht ihn zum herausragenden Werk. Wir erleben hautnah eine der besonders verstörenden Facetten des zwanzigsten Jahrhunderts: Deutschland zwischen den Weltkriegen. Vorsicht! Falle! Kutscher tappt nicht hinein.
In den ersten Bänden kämpft das 'System' der Weimarer Republik erfolglos gegen den braunen und roten Mob, der Berlin in Geiselhaft genommen hat. Das organisierte Verbrechen korrumpiert den Staat und kungelt mit den Schlägerbanden beider Couleur. Nicht die Kripo, sondern der schwarze Gangstertrupp der SS schafft schliesslich beklemmende Ordnung. Verbrechen wird zur Staatsräson: Antisemitismus, Bespitzelung, politische 'Umerziehung' und kaltblütiges Morden. Trotzdem widersteht Kutscher der Verlockung, den Bösen einen vorzeitigen Nürnberger Prozess zu machen. Statt den Leserinnen und Lesern den erzieherischen Mahnfinger zu zeigen, nimmt er sie mit zu einer Immersion in den damaligen Berliner Alltag. Viele Täter sind auch Opfer - oder umgekehrt. Das Risiko, sich dabei für Heydrichs Truppen oder den Führer zu begeistern, ist überschaubar. Die Lektüre verleitet aber auch nicht zu selbstgefälligem Deutschenhass.
Lernen aus der Geschichte? 2025 ist Europa politisch wieder polarisiert. Mit ähnlichen und neuen Risiken, und anders als das Deutschland von Gereon Rath. Wer aus der Geschichte lernen will, hütet sich vor simpler Gleichsetzungslogik.
Ich habe es geschafft! Zehn Bände Rath sind viel, aber spannend bis zur letzten Seite. Kein Happy End. Wie auch - in Zeiten, wo nur Selbstjustiz einen eisigen Hauch von Gerechtigkeit schafft... Band 11 ist nicht vorgesehen, aber ich würde ihn bestimmt sofort bestellen. Doch das hiesse, ein neues, riesengrosses Fass aufzumachen: Den zweiten Weltkrieg. Es reicht so.

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