Hochwinterfahrplan
- daehlert
- 13. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Hochwinter? Sein Antipode, der Hochsommer, ist besser bekannt. Und viel, viel angenehmer. Immer Mitte Januar ist es so weit: Seit Wochen schon habe ich von der kalten Jahreszeit die Nase voll, und da kommt sie erst recht in Fahrt. So will es mindestens die Wetterstatistik: Bis Mitte Februar gilt es nochmals, Zähne zusammenzubeissen.

So haben wir also heute Morgen minus sechs Grad bei Bisentendenz. Nicht gerade Sturmwind, aber... brrrrr! Auf unseren 'Plateaus' bläst es seit Wochen fast immer: Entweder feuchtkühl aus Südwesten. Oder eben bitterkalt aus Nordost: Gestern bei klarem Wetter, aber gerade schieben sich nach einer klaren Mondnacht die Nebelbänke vor Gibloux und La Berra zusammen. Das schönste am Winter ist die Vorfreude auf den Frühling.
Nicht klagen: Uns geht es gut. Beim grossen Nachbarn, wo die Bise herkommt, herrscht nicht bloss die übliche Winterdepression: So sehen es mindestens die journalistischen Kommentare in der Schweiz. Nun, da die vielgeschmähte Ampel definitiv ausser Betrieb genommen wurde, stellt sich die Frage: Wer baut den Kreisverkehr, damit 'es' wieder rollt - wirtschaftlich wie politisch? Nur Elon Musk kennt die Antwort, und die ist ziemlich sicher falsch. Wie seine Prognosen zum Hyperloop. Sogar Kalifornien baut, wenn auch im Schritttempo, weiterhin klassische Eisenbahn. Ausgerechnet am Nabel der weltweiten Innovationsfreude, dem Silicon Valley - mit Zügen der Schweizer Firma Stadler.
A propos deutsche Deprimiertheit: Sie mag teilweise medial inszeniert sein. Aber beim Schienenverkehr weht definitiv ein rauer Wind in Deutschland, mit Verspätungen bis in die Schweiz und fatalen Folgen für die Entwicklung des Gütertransits. Unsere Eisenbahn hingegen siegt in fast allen Disziplinen wie Odermatt auf den Skis. Die einstmals stolze Bundesbahn ist relegiert und muss ins Training. Besser gesagt: In die REHA. Sie fährt übrigens seit jeher rechts. Das hat sie, wie man sieht, auch nicht gerettet. Elon Musk versteht nichts vom Schienenverkehr.
Die Schweiz macht auch nicht alles perfekt, aber eines kann sie: Fahrpläne entwickeln. Seit Mitte Dezember gilt in der Westschweiz ein komplett überarbeitetes Fahrplankonzept, mit viel mehr Zügen, zuverlässigeren Anschlüssen und einem fast integralen Halbstundentakt im S-Bahnverkehr. Welch ein Durchbruch: Jede halbe Stunde ein direkter Zug aus dem Freiburger Plateau nach Lausanne, und zwar täglich und von früh bis sehr spät! Ideal, um einen Hauch von verfrühtem Vorfrühling am Genfersee zu suchen.
Natürlich motzt die Politik weiterhin und ärgert sich wegen ein paar Minuten zusätzlicher Fahrzeit. Oder dem Umsteigen im blitzblankmodernen Renens, wenn man vom Jurafuss nach Genf reist. Solche Probleme möchten die Deutschen haben!
Fahrplanplanung - das können wir! Das 'Wir' tönt anmassend? Ich kenne die Teams, ihre Herausforderungen, Zielkonflikte und Professionalität. Ohne diese motivierten Fachleute - Frauen und Männer! - hätte der Schweizer öV nicht Odermatt-Klasse. Was sie in plus-minus drei Jahren geschafft haben, ist nicht perfekt, aber gut. Saugut. Man übersieht glatt, dass es sich um einen Kompromiss handelt.
Fahrpläne machen ist sehr 'technisch'. Dennoch sind Teamwork, Lobbyieren, Überzeugen, Implementieren die wesentlichen Erfolgsfaktoren. Jeder Bus samt Chauffeur, jede Lokführerin und jeder Zugchef müssen zum Tag X zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereit stehen. Oder besser gesagt: Fahren. Allein in der Westschweiz betrifft dies viele Dutzend Unternehmungen. Zig Systeme und die Betriebszentralen müssen das neue Konzept verinnerlichen, bevor es losgeht. Dispositive Entscheidungen, die vor einem Monat noch richtig waren, sind heute Makulatur.
Und natürlich muss die Politik an Bord sein. Auch wenn sie dann, trotz allem, motzt. Aus Prinzip. Der Geldstrom für die vielen, vielen Begehrlichkeiten beim weiteren Netzausbau darf schliesslich nicht versiegen. Es ist wie beim Winterwetter: Ein bisschen prophylaktische Wehleidigkeit ist gar nicht so schlecht. Man holt sicherheitshalber schon mal die dickere Jacke aus dem Schrank. Nicht wahr, Deutsche Bahn? Man darf es bloss nicht übertreiben.
Aber jetzt erst mal: Ein dickes Lob an alle ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, die etwas zum Fahrplan 2025 beigetragen haben. Chapeau!


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