Open Access
- daehlert
- 27. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Schon mal davon geträumt, Eisenbahndirektor zu werden? Nichts leichter als das - dank Open Access (OA).
Das geht so: Man gründet ein Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und besorgt sich die Netzzugangsbewilligung. Bahnkenntnisse sind zweitrangig: Das nötige Kleingeld für Versicherungen, Garantien und ein paar externe Berater genügen. Fahrzeuge? Lokomotiven kann man mieten, die Wagen bringen die Kunden gleich mit. Lokpersonal? Temporär vom Vermittler. Oder man beauftragt eine andere EVU als Traktionär.
Im Güterverkehr funktioniert es: Für Container auf langen Strecken, Ganzzüge mit bahnaffinen Massengütern, Spezialtransporte. Wo mit wenigen Zugfahrten viele Tonnenkilometer produziert werden können, gibt es heute Konkurrenz. Oder Unternehmen produzieren ihren Eisenbahnverkehr in Eigenregie - beispielsweise Coop mit der Tochtergesellschaft Railcare. Das grosse Geld verdient niemand: Ein volatiles Business für Rappenspalter. Die wichtigsten Marktteilnehmer sind Tochterfirmen von Staatsbahnen: Es geht auch um Taktik und Prestige. Mal gewinnt SBB Cargo International einen Kunden von BLS oder TXL, drei Jahre später ist es gerade umgekehrt: Ein Karussell, das nur wenig neuen Verkehr auf die Schiene bringt. Am unrentablen Wagenladungsverkehr verbrennt sich kein 'Privater' die Finger; den kann nur der Staat retten. Oder in Kauf nehmen, dass er häppchenweise eingestellt wird.
Wozu also der Zirkus?
In den Neunzigerjahren ärgerten sich die meisten EU-Länder über träge Staatsbahnen mit grossen Defiziten. Keine Kundenorientierung - alles etwas angestaubt. Für die Auto fahrenden Brüsseler Bürokraten und Politikerinnen lag die Lösung auf der Hand: Liberalisierung! Mehr und bessere Leistungen zu tieferen Preisen und wegfallende Subventionen - dank Wettbewerb: Die Infrastruktur bezahlt der Staat, den Verkehr besorgen privat finanzierte Unternehmen (EVU) gegen Gebühren, wie auf der Strasse. Bubieinfach? Mega kompliziert!
Nun will uns die EU - vielleicht - den freien Netzzugang auch im grenzüberschreitenden Personenverkehr aufs Auge drücken: Im Rahmen der geplanten neuen 'Bilateralen'. Konkrete Pläne? Flixtrain möchte München mit Zürich verbinden. Ernsthaft? Damit würde das Unternehmen wohl vor allem sein Busgeschäft konkurrenzieren.
Auch in der Schweiz gibt es Journalisten und Politiker, die auf das Schlagwort 'Wettbewerb' hereinfallen. Sie blenden aus, dass die bedauerlichen Qualitätsmängel im internationalen Reiseverkehr nicht wegen, sondern trotz Kooperation der beteiligten Staatsbahnen auftreten. Wenn die Zulaufstrecken im Ausland überlastet und immer wieder wegen Bauarbeiten gesperrt sind oder das Personal streikt, wird auch ein Konkurrenzprodukt nicht zuverlässig fahren.
Es gibt 'privaten' Personenverkehr in Europa - auf wenigen, nachfragestarken Relationen und meistens nach dem Prinzip der Billigflieger: Volatile Preise, möglichst wenige, aber volle Züge, enge Platzverhältnisse und zuschlagspflichtige Nebenleistungen. Ein Nischenangebot: Die Reisenden kommen mit dem staatlichen öV zum Billigzug. Hat gerade jemand 'Cherrypicking' gerufen?
Viele Angebote verschwinden rasch wieder aus dem Fahrplan, andere, wie in Österreich die Westbahn und Italo beim südlichen Nachbarn, halten sich besser. Ob sie Geld verdienen, ist Geheimsache. Verkehr wird dabei kaum verlagert: Die meisten Reisenden hätten sowieso die Bahn oder einen Fernbus benutzt, auf die Fahrt verzichtet oder einen Mitfahrdienst beansprucht. Wer seine Reise frühzeitig planen kann und zeitlich flexibel ist, spart ein paar Euro. Spartickets für diese Kunden gibt es auch bei uns. Von der 'Staatsbahn'.
Was passiert, wenn die Schweiz ihre Grenzen öffnen muss? Die verflixten Privatzüge brauchen erst mal eine Trasse - ein zeitlich festgelegtes Nutzungsrecht für eine Fahrt von A nach B, Bahnhofgeleise eingeschlossen. Der nationale Taktfahrplan hat gemäss Gesetz Vorrang: Das muss und wird so bleiben. Salopp gesagt funktioniert Open Access nur dann, wenn vorhandene Netzkapazität nicht ausgeschöpft wird. In der Schweiz ist das fast nirgends der Fall: Unser öV-System ist so gut, weil es genau die Kapazität schafft, die gemäss langfristigen Fahrplankonzepten dann auch genutzt wird.
Die Eisenbahn ist keine Strasse auf Schienen; sie funktioniert nur als professionell geplantes System unter kompetenter Gesamtverantwortung. Planung und Betrieb bilden einen geschlossenen Regelkreis, der die Pünktlichkeit garantiert. Privat finanzierte EVU im Wettbewerb fahren zu lassen, ist Unsinn: SBB, BLS, SOB und viele Meterspurbahnen bieten seit Jahrzehnten buchstäblich konkurrenzlos gute Qualität und Innovationen. In England wird gerade das Hohelied der Rückverstaatlichung angestimmt: Auch deshalb, weil die im Bieterverfahren mit dem öV beauftragten Franchisenehmer den Konkurs anmelden - bei rekordhohen Ticketpreisen und fragwürdiger Dienstleistungsqualität. Häufig sind es Ableger von ausländischen Staatsbahnen.
Liebe EU: Märkte kann man nicht herbeireglementieren: Bürokratie statt Kundennutzen. Der öV 'rentiert' nirgends. Open Access im Personenverkehr dient bestenfalls als Feigenblatt für Versäumnisse bei Entwicklung und Finanzierung der Schiene. 'Wir Schweizer können Bahn' - eindeutig besser als andere. SVP-Parolen? Nein. Einen Kampf 'Asterix gegen die Römer' ist die Sache nicht wert. Natürlich gingen dem nationalen öV einige Personenkilometer und damit Einkünfte verloren. Ich bin überzeugt: Wenige konkurrierende Alibizüge mit Reservationszwang, unattraktiven Fahrzeiten und altem Wagenmaterial bringen unsere Eisenbahn nicht zum Entgleisen.

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