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Passivmitglied

  • daehlert
  • 30. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit

Vereine schätzen sie - die Passivmitglieder: Sie zahlen Beiträge und halten sich beim Kerngeschäft - Sport, Hobby, Kultur - vornehm zurück. Ein Konzept für Leute, die weder nein sagen noch sich persönlich engagieren möchten.

Religionsgemeinschaften sind Vereine der besonderen Art. Obschon die Austritte bei Katholiken und Reformierten seit Jahren Rekordwerte erreichen, ist die grosse Mehrheit der Verbliebenen nur Passivmitglied und besucht höchstens bei Hochzeiten und Todesfällen einen 'Gottesdienst'. Damit die Kirche im Dorf bleibt.

Reuige Schafe, die aus- und wieder eintreten, dürften Seltenheitswert haben. Die Ökonomin Margrit Osterloh hat das Hin und Her gewagt und erklärt in der BZ, warum es ihr andere nachtun sollten: In erster Linie zur Verteidigung der Nächstenliebe, die Christus gepredigt hat. An Gott, Jesus oder sonst was zu glauben, sei nicht notwendig.

Ich bin perplex. Als Atheist - darauf komme ich in einem separaten Blog zurück - finde ich eine 'gottlose' Kirche einen Widerspruch in sich selbst. Die Bibel hat jenseits des Glaubens nur kulturhistorische Bedeutung, und vielleicht hat Jesus als Person existiert, aber was Lüge, Legende und Wahrheit ist, weiss niemand.

Hingegen wissen wir sehr wohl: Im Namen des christlichen Ideals zieht sich eine Blutspur durch die Weltgeschichte - Kreuzzüge, Inquisition, Reformationskriege. Bis in die Neuzeit wurden Kritiker als Ketzer verfolgt, unliebsame Frauen als Hexen verbrannt und zahllose Völker von Missionaren mit Zuckerbrot und Peitsche vom Heidentum - sprich: ihrer indigenen Kultur - befreit. Das Christentum liebte nicht den 'Nächsten', sondern diente der Obrigkeit: Leibeigene, Vasallen, Sklaven und das Heer der übrigen Rechtlosen akzeptierten die Misere ihres Daseins, weil sie an ein Paradies glaubten, und die 'Rechtschaffenen' erkauften sich mit Almosen für Bettler und Krüppel das eigene, ewige Leben.

Die Kirchen haben so lange sanftmütig-gerissen unterdrückt, bis die Menschen realisierten, dass es auch ohne geht. Nach meiner Meinung würde die Welt nicht schlechter, wenn die Religionen ganz ausstürben: Machtherrscher missbrauchen - immer noch oder wieder - den Glauben als Mittel zum unheiligen Zweck, und überall bleiben Kirchen und Sekten ein Hort rückwärtsgewandter Gesellschaftsmodelle. Am andern Ende der Skala missionieren säkulare Gruppierungen wie Ökofundamentalisten, Klimabewegung oder Wokeismus mit religiösem Eifer für Fortschritt mit der Brechstange. Ihre ehrenwerte Ziele untermauern sie mit Dogmen, die fatal an Ursünde, Apokalypse und biblische Gebote erinnern. Diskriminieren statt achten: Wer den Glauben nicht teilt, ist 'des Teufels'.

Liebe Frau Osterloh, die Nächstenliebe und ihre philosophischen Grundlagen (Humanismus, Philanthropie) sind säkular und älter als das neue Testament. Dass unsere modernen Gesellschaften Wertesysteme durchsetzen, die allen Menschen gleiche Rechte zubilligen und soziale Sicherheit bieten, verdanken wir der Aufklärung und den fortschrittlichen politischen Bewegungen der letzten hundertfünfzig Jahre.

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?" fragt Gretchen, und bringt den Universalgelehrten Faust ins Schleudern. Bezeichnenderweise verrät uns auch Frau Osterloh nicht, warum sie irgendwann den Abschied genommen hatte, und speist uns mit der Statistik ab: 28% fehlt der Glaube - was, nicht mal ein Drittel? -, 26% sind mit der Institution Kirche unzufrieden. Und die restlichen 46%?

Überzeugte religiöse Menschen sind mit diesem Blog nicht einverstanden - ihr gutes Recht. In einem Punkt werden sie mir jedoch beipflichten: Der Vorschlag, mit ungläubigen Wertideologen und Altruistinnen die Kirchen zu retten, ist abstrus.

Den Platz mitten Dorf darf umgenutzt werden: Eine Fata Morgana mit Turm bewahren ist Heuchelei, nicht Nächstenliebe.

Meint ein Ketzer...

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