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Wecker

  • daehlert
  • 4. März
  • 2 Min. Lesezeit

Bürgerlich! Ich?! I am not amused. Sind es nicht die Linken, die pauschal vom 'bürgerlichen Lager' reden, wenn sie ihre Gegner meinen? Das Wort gibt nichts her - Bürger sind wir alle. Bei mir weckt es Assoziationen mit behäbiger Selbstzufriedenheit: Steife Krawattenträger, abgelichtet in schummrigen Salons zwischen Plüsch und Ölbildern. Die Nationalräte und Direktoren von damals.

Vielleicht gehe ich euch damit auf den Wecker, aber ich muss schon wieder kritisieren: Thierry Burkart hält in seinem Interview vom 21. Februar ein Plädoyer für den Liberalismus. Das finde ich gut, und schliesslich es ist sein Job. Mich irritiert, dass der FDP-Präsident 'liberal' und 'bürgerlich' gleichsetzt.

Wer sind sie, die 'Bürgerlichen', diese bedrohte Spezies, aufgerieben zwischen den lautstarken Ideologen links und ganz rechts? Die FDP, sagt Thierry Burkart, sei die Partei derer, die den Wecker stellen. Das wäre - LOL-Smiley - eine solide Mehrheit von über neunzig Prozent der Wahlberechtigen. Grob geschätzt... Einverstanden, Metaphern sind immer angreifbar. Diese meint: Liberalismus ist anstrengend und verlangt Eigenverantwortung und Selbstdisziplin. Stimmt. Aber weckt der Wecker auch Sympathien bei denen, die nicht schon 'bürgerlich' denken?

Immerhin belässt es Burkart beim Wecken und sagt nicht unverblümt, dass er die Fleissigen meint. Als Kontrast zu den Faulen, die sich auf den Staat verlassen und nichts für seine Prosperität unternehmen - die von Professor Frey gescholtenen Ich-AGs. Zugegeben: Profiteure, Opportunisten, Nörgler und Jammerlappen sind unsympathisch, und der Staat soll sie nicht auch noch dafür belohnen. Seien wir froh, wenn sie ausschlafen und uns nicht schon vor dem Frühstück ärgern.

Liebe Liberale: Menschen, die den Wecker nicht so fleissig stellen, haben auch Anrecht auf ihre Freiheit - solange sie zufrieden sind und sich nicht beim Staat darüber beschweren, dass andere mehr Geld ausgeben können. Konsequent liberal denken: Auch mir fällt es nicht immer leicht. Gerade Liberale dürfen es sich nicht leisten, das Richtige so zu sagen, dass es falsch wirkt: Wir stehen ein für Prinzipien, nicht für Moral.

Seine Weichen unabhängig von Konventionen, vorgefassten Meinungen und Mahnfingern so stellen zu dürfen, dass man sich persönlich 'gut' fühlt, ist ein attraktives Versprechen. Nicht nur, aber ganz besonders für Junge. Darum müssen wir es ihnen so erklären, dass sie es als persönliche Perspektive verstehen. Egoismus? Quatsch: Lassen wir Millennials und GenZ ihren Weg finden. Mit oder ohne Wecker, im Büro, auf der Baustelle oder im Homeoffice. Als Eltern oder Singles. Schwule und Polyamouröse. Oder ultra konventionell gestrickt: Mit Krawatte und Ölgemälde an der Wand.

'Es geht uns zu gut'! schimpft Herr Frey. Herr Burkart mahnt: 'Wecker stellen!' Welche Weckzeit ist politisch korrekt? Und was heisst 'zu gut'? Juristen, an die Arbeit? Initiative und Eigenverantwortung fordern und dann gleich im Nachsatz klarstellen, wofür sie genutzt werden sollen, gilt nicht. Ist 'Bürgerlichkeit' etwa das Eltern-Ich der Liberalen? Ist Politik ohne Mahnfinger eine Utopie?

Liebe Lager links und rechts: Mahnfingert euch gegenseitig ab - im Wahlkampf, in den Räten, in den Medien. Das hat seinen Sinn; sonst gewinnen die Extremen, und die gehen uns tatsächlich auf den Wecker. Wir Normalbürger suchen Freiheit ohne ermahnende Hintergedanken. Aufgeweckte wissen es: So funktioniert ist der liberale Staat.

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